Beim Rundgang in der Kunstakademie Düsseldorf in 1997, wurde "Lethargieentfernung", formatiert und laminiert, um die Kunstakademie Brandschutzverordnungen nachzuahmen.

"Lethargieentfernung" wurde auch als Flugblatt bei Ausstellungen verteilt

Lethargieentfernung

  1. Das Aufstehen ist sofort nach dem Aufwachen durchzuführen. Faulheit am Morgen verhindert die produktive Gestaltung des Tages. Am Tagesanfang sollte die besondere Aufmerksamkeit der Gefahr gelten, von einem Gefühl der Sinnlosigkeit und Einsamkeit überwältigt zu werden. Eine positive und glückliche Anfangshaltung ist täglich zu üben. Übermäßiger Schlaf, d.h. mehr als 7 Stunden pro Nacht, ist nicht zu rechtfertigen.
  2. Kaffee darf nur mit Vorsicht konsumiert werden. Ein Übermaß verursacht Übelkeit und Überspanntheit. Der Lethargieleidende hat sich zu motivieren, solange das Koffein noch in seinem Kreislauf wirkt. Geschieht das nicht, so verschwindet die stimulierende Wirkung des Koffeins, der apathische Zustand erreicht einen neuen Höhepunkt, und weiterer Widerstand ist zwecklos.
  3. Toilettenbesuche müssen regelmäßig durchgeführt werden. Die übermächtige Lähmung des Lethargiezustands kann eine dringende Not überdecken. Die darauffolgende Darmentleerung löst eine überraschende Leichtigkeit, Beweglichkeit und Unbeschwertheit aus. Der Toilettenbesuch ist produktiv zu nutzen, um problematische Lebensentscheidungen zu treffen.
  4. Masturbation ist stets zu vermeiden. Dadurch wird das Gefühl der Sinnlosigkeit nur verstärkt.
  5. Der Geschlechtsakt ist zu vermeiden (§4 Masturbation). Bei Sexualbeziehungen ist ein Sicherheitsabstand stets einzuhalten. Der Geschlechtspartner kann durch die Liebesempfindung zu einer unrealistisch positiven Ansicht über den Lethargieleidenden gelangen, was seiner Einsicht in die Ernsthaftigkeit des Problems entgegensteht. Die Euphorie des Beziehungsanfangs und die Hoffnungslosigkeit des Endes einer Beziehung können die praktische Lebensbewältigung gefährden, und dadurch eine Lethargiebekämpfung unmöglich machen.
  6. Nahrung darf grundsätzlich nur zum Ausgleich des körpereigenen Energiebedarfs aufgenommen werden. Zur Kompensation emotionaler Krisen ist Nahrungsaufnahme nicht gestattet. Die stimulierende Wirkung durch den Zuckergehalt des Essens ist vorsichtig zu kontrollieren (§2 Kaffee). Die Nahrungsaufnahme hat nur in stehender Körperhaltung zu geschehen: das Sitzen ermutigt den Körper, wieder einen lethargischen Zustand einzunehmen. Die Dauer der Mahlzeiten ist so kurz wie möglich zu halten: Gerichte, die eine kurze, intensive Anstrengung und heftiges Kauen erfordern, sind zu bevorzugen. Während des Essens ist ein lebhaftes, interessiertes Herumschauen im Zimmer zu üben.
  7. Gefühle sind ausführlich zu untersuchen. Lethargie rührt von unterdrückten, unangenehmen Gefühlen her: in der Regel Wut, Selbsthaß oder Scham (nicht mit Schuld zu verwechseln, die etwas höchst Motivierendes ist). Das verantwortliche Gefühl ist zu erkennen und in Ordnung zu bringen. Falls sich irgendeine Anwandlung von Selbstmitleid hineinschleicht, ist die Untersuchung sofort zu beenden.
  8. Das Lethargieproblem ist sofort beim Auftreten den Freunden zu beichten. Durch das Veröffentlichen des persönlichen Versagens ist die Lächerlichkeit und Trivialität des Selbsts zu enthüllen. Gespräche dürfen nicht vom Ziel der Lethargieentfernung abschweifen - unbedeutende Plauderei ist Zeitverschwendung. Wachsamkeit ist beim Versuch erforderlich, dem Zuhörer Mitleid zu entlocken.
  9. Das Haus ist sofort zu verlassen. Munteres Umherlaufen und lebhafte Unterhaltungen mit Fremden bewirken die gewünschte Gemütsänderung. In großen Städten ist durch die Konfrontation mit dem Elend und dem Leid der Menschen eine neue Lebensperspektive zu eröffnen. Das Umherlaufen darf nicht die Konsumlust befriedigen. Einkaufen ist nur bei dringender Notwendigkeit gestattet.
  10. Im Fall eines Bedürfnisses nach Sauberkeit ist der Lethargieleidende befugt, sich einer schnellen Dusche mit energischem Schrubben zu unterziehen. Baden ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Ausrede, um sich hinzulegen.
  11. Der Lethargieleidende darf nicht auf Alkohol zurückgreifen. Angenehme Empfindungen der Trunkenheit, z.B. Entspannung oder Wohlbefinden, sind überaus unmotivierend. Durch übermäßigen Konsum kann der folgende positive Tagesanfang ernstlich gefährdet werden.
  12. Fernsehen, Kino, Lesen und andere Arten der ziellosen Unterhaltung sind zu vermeiden. Ausnahmen gelten für das Lesen von Fachbüchern, die als unbedingt notwendig erachtet werden.
  13. Meditation oder ähnliche geistige Entspannungstechniken sind nicht gestattet. Die darausfolgende Streßverminderung, Ruhe und Selbstakzeptanz sind als ein Verlust des Realitätssinns zu betrachten.

Rückfallvermeidung

Die Wachsamkeit vor einem Rückfall erfordert es, daß sich der Lethargieleidende von den folgenden Grundsätzen leiten läßt:

  • Ein täglicher Stundenplan ist zu formulieren und ohne Abweichung zu befolgen. Spontaneität erfordert Nachdenken, welches das Risiko birgt, daß der Lethargieleidende von unkontrollierbarer Sehnsucht überwältigt wird.

  • Der Lethargieleidende hat sich bei den üblichen kleinen Verzweiflungsanfällen mit dem Aufsagen motivierender Sprüche aufzumuntern, z.B. "Reiß dich zusammen!", "Leiste was im Leben!", "Mach endlich was aus dir, du faule, faule Sau!"
  • Die folgenden Parolen sollen strategisch so in der Wohnumwelt plaziert werden, daß sie in den passenden Momenten sofort ins Auge fallen:
  • Immer blöde Ausreden
  • Sei fleißiger
  • Spaß ist für Versager
  • Blöd und Faul
  • Du wirst nie was

Düsseldorf, 3. Februar 1997